FRAUENBIOGRAFIEN – Hamburg-App

Wo man eben so hinschaut beim Flanieren in der Stadt: in Schaufenster, auf Fassaden und Zebrastreifen, in Toreinfahrten und auf Straßenschilder. Manches Schöne und wohl auch einiges Interessantes sieht man auf diese Weise, aber vieles bleibt unsichtbar. Ein ganz besonderes Guckloch und eine mitreißende Tiefenbohrung in die Hamburger Geschichte bietet eine App, erschienen dieses Jahr zum 100jährigen Jubiläum des Frauenwahlrechts: Frauenbiografien.
Frauen sind im kollektiven Gedächtnis unterrepräsentiert, Straßennamen und Denkmäler gelten zum allergrößten Teil Männern. Die Arbeit von Frauen fand lange und findet immer noch wenig Anerkennung, weibliche Lebensleistungen haben keinen Ort im kollektiven Gedächtnis.
In der Datenbank, die hinter der App liegt, sind Lebensläufe, die Arbeit und Bedeutung von verstorbenen Hamburgerinnen gesammelt & aufgearbeitet. Keineswegs nur prominente Autorinnen, Unternehmerinnen oder Journalistinnen, auch unbekannte Frauen sind da zu finden, die in ihrem Lebensumfeld Spuren hinterlassen haben, die Kunst gemacht oder im Stillen gearbeitet haben. Daneben stehen ausführliche Texte zu Einrichtungen oder Orten, die für Frauen von Bedeutung waren oder sind. Man kann direkt nach Namen suchen, nach Straßen oder einfach in einem geografischen Radius.

Grafisch ist die App so schlicht, dass es beinahe weh tut – wahrscheinlich gab es nicht genug Geld. Nicht egal, aber trotzdem: Die Ergebnisse sind großartig: ausführlich, genau recherchiert, mit Querverweisen, und wer mag, lässt sich auf wissenschaftlich fundierte Hintergründe ein. Für Nutzer*innen, die gerade nur Lust auf ein Appetithäppchen haben, gibt einen kurzen Einführungstext zum Eintrag und die Option, in einer bestimmten Straße weiterzusuchen oder sich die Route anzeigen zu lassen.

Ich tippe auf Umkreissuche. Im Kattrepel bekomme ich 400 Einträge in einem Radius von zweieinhalb Kilometern und erfahre, dass genau hier im Kattrepel um das Jahr 1428 in kleinen Butzelbuden Prostituierte arbeiteten und die Stadt daran tüchtig verdiente. 60 Jahre später wurde das Gewerbe verboten und doch geduldet, allerdings zwang man die Frauen eine Haube mit einem aufgenähten gelben Band zu tragen. Doppelmoral und Stigmatisierung sind mitten in der Hamburger Innenstadt offenbar zuhause: Der Gerhart-Hauptmann-Platz hieß früher Pferdemarkt, Giebelhäuser umstanden den gepflasterten Platz, wo 1732 ein Pranger aufgestellt wurde, an dem »treulose Ehefrauen und liederliche Weiber« mit einem Namensschild ins Halseisen eingeschlossen und öffentlich zur Schau gestellt wurden. Männer mussten für Ehebruch lediglich diskret eine Geldstrafe zahlen. Am Gerhart-Hauptmann-Platz lebte auch Ernestine Hoffmann, die als junge Frau ab 1779 eine der ersten deutschsprachigen Frauenzeitschriften Für Hamburgs Töchter herausgab. Auf ihren gesellschaftlichen Ruf bedacht, veröffentlichte sie unter einem männlichen Pseudonym. Ich sitze auf der umtosten Bushalte, lese über den Postvertrieb der Oktavhefte, über Herausgeberfiktion, Tugenddiskurs, Weiblichkeitsideale und die Konstruktion von Geschlechtersphären. Wenn ich aufschaue und die Schaufensterpuppen der Bekleidungsgeschäfte betrachte, die mir zeigen, wie ich mein Selbstbild mir vorstellen soll, ist diese Vergangenheit nicht vergangen. Ein paar Schritte weiter, im Jacobikirchhof eröffnete 1798 Dorothea Encke die Enckesche Winkelschule – bekannt sind diese Einrichtungen auch unter dem Namen Klippschulen, was nichts anderes als privat organisierte, behördlich nicht anerkannte Schulen waren. Die siebzehnjährige Dorothea und ihre Geschwister waren Waisen, sie musste mit dem Unterricht für die jüngeren Kinder sorgen. Die Enckesche Winkelschule genoss wohl über Jahrzehnte einen ausgezeichneten Ruf, und die Schulleiterin war, als sie mit 68 Jahren in Rente ging, ohne finanzielle Sorgen.

In Metern bin ich nicht weit gekommen an diesem Nachmittag. An historischem Wissen, an Geschichten, die hier auf den Straßen rumlungern und in unsere Gegenwart hineinreichen, an Frauenbiografien und Erinnerungsorten bin ich reich. Ein paar kleine Löcher weniger im Erinnerungsnetz.

Die Idee für die Frauenbiografien stammt von Dr. Rita Bake. Die Sozialhistorikerin lehrte in der Frauenforschung der Uni Hamburg, war bis 2017 stellvertretende Leiterin der Landeszentrale für politische Bildung Hamburg und gründete den Garten der Frauen auf dem Ohlsdorfer Friedhof. Sie ist auch verantwortlich für die Datenbank Hamburger Frauenbiografien.

Das Foto oben übrigens zeigt Elvira Unglaube, die erste Elvira Unglaube.
Sie trat zusammen mit ihrem Ehemann auf Volksfesten in einer spektakulären Show auf: kopfüber an einer Strickleiter unter einem Gasballon durch die Luft schwebend. Das ging lange gut, bis sie bei einem Gewittersturm tödlich verunglückte. Die zweite Ehefrau von Paul Unglaube hieß ebenfalls Elvira – es ist nicht zu glauben! – und trat die Nachfolge am Ballon an. Mit riesigen Erfolgen. Der Ballon wurde bei den Bombenangriffen 1943 vernichtet. Elvira die Zweite überlebte den Krieg und zog irgendwo nach Schleswig-Holstein.

Für iOS und Android. Kostenfrei.

Sexismus vor, nach und in Köln

Die Kanzlerin sagt in der FAZ, der Frauenverachtung, die sich in Köln gezeigt habe, müsse man entschieden entgegentreten, „es sei gut, dass es sehr viele Anzeigen gebe, und die Polizei müsse all diesen Dingen nachgehen.“

All diesen Dingen soll die Polizei nachgehen. Der Bericht des NRW-Innenministerium zur Silvesternacht in Köln listet die Strafanzeigen aus den Aufnahmeprotokollen einzeln auf: „mehrfach begrabscht … in den Schritt gefasst …. Griff an Po und Scheide … in den Intimbereich oberhalb ihrer Kleidung gefasst …. Finger in Scheide eingeführt, misslang wegen Strumpfhose … Hintern und Schritt angefasst … an das Gesäß gefasst (unterhalb des Rockes und oberhalb der Strumpfhose) … zwischen die Beine gefasst und geküsst … mehrfach anstößig berührt … wurde von mehreren Personen angefasst … zwischen den Beinen gepackt“.

All diese Dinge werden im Wortlaut bestürzend konkret, widerwärtig, gewalttätig, albtraumhaft, frauenverachtend – nur kriminell werden sie nicht. Polizei und Staatsanwaltschaft haben nicht viel Arbeit damit, denn sexuelle Übergriffe werden nur dann strafrechtlich verfolgt, wenn sie die laut Strafgesetzbuch erforderliche „Erheblichkeit“ aufweisen. Bei Berührungen von Brust, Hintern und Genitalbereich kommt es für die gerichtliche Einschätzung darauf an, ob über oder unter der Kleidung begrabscht wird, deswegen auch die detaillierte Beschreibung im Protokoll.

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Feministische Avantgarde in Hamburg: radikal, international und aktuell

Annegret Soltau Selbst, 1975 S/W-Photographie auf Barytpapier © Annegret Soltau / VG Bild-Kunst, Bonn 2015 / SAMMLUNG VERBUND, Wien Photo: Heide Kratz
Annegret Soltau
Selbst, 1975
S/W-Photographie auf Barytpapier
© Annegret Soltau / VG Bild-Kunst,
Bonn 2015 / SAMMLUNG VERBUND, Wien
Photo: Heide Kratz

Eine umwerfend gute, intelligente und berührende Ausstellung ist seit gestern in Hamburg zu sehen: Feministische Avantgarde. Kunst der 1970er Jahre aus der Sammlung Verbund, Wien, kuratiert von Dr. Gabriele Schor.

Die Ausstellung zeigt Arbeiten von mehr als 30 Künstlerinnen, eine Retrospektive über die Anfänge der internationalen feministischen Kunstbewegung.
Was präsentiert wird, ist in vielen Hinsichten bemerkenswert:
Wenn man diese Arbeiten beieinander sieht, ist das Spektrum dessen, was die europäischen (und einige amerikanische) Künstlerinnen schon in den 1970er Jahren gezeigt und erarbeitet haben, nahezu unglaublich und von einer ästhetischen Bildkraft, die wenig eingebüßt hat über 40 Jahre. Die Verschnürung des eigenen Gesichts von Annegret Soltau als Akt, als Zeichen, als Widerstand und als Bild zitiert Madonna auf ihrem neuen Plattencover.

Ich bin Laie, aber mir scheint doch, dass die kuratorische Leistung stupend ist. Über zehn Jahre hat das Team aus Wien in Archiven und Nachlässen gesucht, Material auf Dachböden gefunden und recherchiert, bis sie auch Flugblätter und Ankündigungszettel für Performances und die lustigen Frauenspaziergänge in die Pornoläden einer Stadt zusammen getragen haben. Der reguläre Kunstbetrieb und -markt hat kein Archiv aufgebaut und keinen Wert für diese Kunst erzeugt.

Die Hängung hätte in die Hose gehen können, ist aber stattdessen einnehmend und überzeugend gelungen, bildet formale, manchmal thematische Klammern und gibt der einzelnen Künstlerin Raum.

Die Künstlerinnen haben kein Kollektiv gebildet, keine Gruppe gegründet, und doch in diesem Jahrzehnt zeitgleich und zum ersten Mal in der Kunstgeschichte ein neues Bild der Frau(en) geschaffen. Sie haben nicht nur ähnliche Themen aufgegriffen, sondern auch ähnliche Strategien benutzt. Bestimmt nicht verwunderlich, dass viele der Künstlerinnen Performance, Film, Fotografie und Video einsetzten: Neue Medien und Techniken, die unbelastet von Traditionen in der Kunstgeschichte zur Verfügung standen.
Sie wurden laut und sichtbar, haben die herrschende Ikonographie des Weiblichen zerlegt, den Kunstbetreib frontal angegriffen, eine männliche Wirklichkeit aufgebrochen, Identität und Rollenzuweisung neu geschrieben, weibliche Sexualität thematisiert und den eigenen Körper zum Material der Kunst gemacht.

Ana Mendieta, Untitled (Glass on Body Imprints), 1972/1997 C-Print © The Estate Ana Mendieta / Courtesy of Galerie Lelong, New York / SAMMLUNG VERBUND, Wien
Ana Mendieta, Untitled (Glass on Body Imprints), 1972/1997
C-Print © The Estate Ana Mendieta / Courtesy of
Galerie Lelong, New York / SAMMLUNG
VERBUND, Wien

Den schweren Katalog habe ich aufs Sofa fallen lassen neben eine aufgeschlagene Frauenzeitschrift (warum die da lag, ist eine andere Geschichte). Die erfolgreiche Schauspielerin Jasmin Gerat wird darin als selbstbewusste, moderne Frau portraitiert. Sie berichtet, der Kurzhaarschnitt, den sie neuerdings trägt, zöge zwar die Aufmerksamkeit von weniger Männern an als vor dem Friseurbesuch, dafür aber ernte sie die Blicke intelligenterer Männer. Ein Foto zeigt sie mit nach innen gedrehten Fußspitzen, wackelig und schier unfähig, sich auf eigenen Füßen zu halten, in der  Pose einer kokettierenden Vierzehnjährigen. Auf dem zweiten Bild beißt sie sich in klischierter Anzüglichkeit auf die Unterlippe, als hätte sie komplett den Verstand verloren und warte nur darauf, vom Ersten, der vorbeikommt, abgeschleppt und ins nächste Reihenhaus gestellt zu werden.
In dieser Welt der Frauenbilder leben wir, einer lückenlos wirksamen Bilderwelt der Imagekampagnen, Rollenzuschreibungen und Körpernormierung. Die Maschinerie reicht in jeden Winkel. Das Persönliche ist dabei zum vermeintlichen Schonraum geworden. Im privaten Raum soll die Konstruktion der Weiblichkeit nicht gelten, hier ist das Hola der Marktsemiotik: hübsch gestaltet, mit kuscheliger Partnerschaft und veganen Kochbüchern. Die Klamotten, die App zum Appnehmen, Teilzeitjob, Fitnessstudio, Steuerklasse, Spaß am Einkochen und Fastenurlaub – alles hochindividuelle, private Lebens- und Kaufentscheidungen.
Die Arbeiten der Künsterinnen aus den 1970er Jahren wirken in unsere Gegenwart hinein wie ein elektrisierender Schlag: Es geht auch anders. Es ging schon mal anders. Das Persönliche ist politisch.
Ich setze nicht die avantgardistische Kunstpraxis mit dem Bilderwahnsinn des Marktes gleich, aber ich habe das Gefühl, dass ich die Energie und befreiende Kraft, die von diesen Künstlerinnen und ihren Arbeiten ausgehen, in meiner Gegenwart nicht mehr leicht wiederfinde.
Selbstbewusstsein, Ironie, Aggression, politische und künstlerische Handlungsfähigkeit, Zartheit, Hartnäckigkeit und Witz, Freiheit und Autonomie begegnen mir in diesen Arbeiten. Einige wenige wie Cindy Sherman, Valie Export oder Orlan sind erfolgreich geworden, die große Zahl aber der Künstlerinnen ist in Hamburg zum ersten Mal zu entdecken. Die Radikalität, die sie eint, und die je eigene Qualität der Kunstwerke sind wunderbar.

Dass die Kunst von Pionierinnen der Frauenbewegung so aufrüttelnd und impulsgebend in die Gegenwart einschlägt und wie ein Gruß in die Zukunft uns erreicht, ist schon ein großer Moment.
Hauptbahnhof aussteigen, rüber schlappen – ganz leicht.

Schauen statt funktionieren

Funktion_publicdomainvector.org
Grafik: Funktion (cc) publicdomainvector.org

Das neue Jahr beginnt mit kranken Kindern. Eine Woche Kind 1, die nächste Kind 2. Kochen, vorlesen, Kinderärzte, Wäsche waschen, entschuldigend Abgabetermine verschieben, nachts aufstehen, Wadenwickel – das ganze Programm. Zwei Wochen, in denen ich fast nicht gearbeitet (und kaum Geld verdient) und so gut wie niemanden gesehen habe. Kommt vor.
Zufällig kam mir in der Zeit wieder ein Text in die Hände, den ich vor einigen Jahren geschrieben habe: Es sterben gar keine Frauen.
Eine Überlegung darin dreht sich um Todesanzeigen in überregionalen Tageszeitungen. Schaut man auf einen normalen Wochentag, sterben so gut wie keine Frauen. Höchstens mal eine hoch betagte preussische Gräfin im Kreise der Familie. An diesem Phänomen hat sich wenig geändert. Das Thema der ungleichen Repräsentation schließt aber an ein anderes an, das mich gegenwärtig umtreibt: Unsichtbarkeit.

Ich bemühe einen Klassiker des Selbstmitleids, der hier als experimentelle Anordnung dienen soll: Wenn ich tot umfalle, wie viel Zeit verginge, bis jemand bemerkt, dass ich fehle?
Jeden Sommer fahren meine Kinder für zehn Tage in die Ferien. Für diesen Zeitraum kann ich die Frage ganz präsize beantworten. Elf Tage würde es dauern. Öffnete ich die Tür nicht, wenn der Vater sie zurückbringt, finge er abends an die Mailbox vollzutexten.
In diesen zehn Tagen klingelte bestimmt hin und wieder das Telefon: Freunde, Familie, Zahnarzt. Ein Auftraggeber wäre sauer und schriebe böse Mails. Mehr würde aber nicht passieren. Niemand wäre ernsthaft irritiert, wenn ich mich innerhalb von zehn Tagen nicht meldete. Für alle 355 übrigen Tagen kann ich die Frage ebenso präzise beantworten. 16.15 Uhr wäre der späteste Zeitpunkt für ein Auffinden. Wenn die Kinder aus der Schule kommen. Außerhalb dieser Routine fehle ich nicht.
Was ist in einem Leben passiert, in dem dieses Szenario völlig realistisch ist?
Da ich mich weder für außergewöhnlich griesgrämig noch soziophob halte, komme ich dahin anzunehmen, dass diese Erfahrung mit Strukturen einhergeht. Unsichtbarkeit passiert nicht nur in einem, nämlich in meinem Leben.

Freiberuflichkeit ist als Alleinerziehende – anfangs mit zwei Kleinkindern – die einzige Chance, den Lebensunterhalt für die Familie zu verdienen. Man arbeitet allein, liefert elektronisch ab, mal telefoniert man, meistens nicht. Anerkennung drückt sich im besten Fall in erneuter Auftragsvergabe aus. Es gibt keine Kollegen, wenig Austausch, keine gemeinsamen Projekte, an denen man kontinuierlich arbeitet.

Unsichtbarkeit vollzieht sich nicht von einem Tag auf den anderen, sie wächst in vielen kleinen Schritten: mit jeder Absage auf eine Einladung, weil man den Babysitter nicht bezahlen kann, mit jedem erschöpften Moment und mit jedem leeren Abend vor vollen Wäschewannen, wo allein der Gedanke an einen tollen Tangokursus so fern liegt wie Argentinien. Sie ernährt sich von Geldsorgen und mangelnder Teilhabe, sie wird dichter mit jedem Jahr, das vorübergeht.
Über einem auf Dauer gestellten, den einzelnen Menschen strukturell überfordernden Funktionieren, das keinen Raum übrig lässt, wird die Welt immer enger und man verschwindet – aus den Augen der Anderen wie auch aus dem eigenen Blick. Armut macht unsichtbar, das Alter auf ähnliche Weise. Die Gründe dafür sind so zahlreich wie offenkundig. Die Gutscheine für soziale Anerkennung, emotionale Bedeutung, eine Rolle, gar ökonomischen Erfolg werden in öffentlichen, in beruflichen und privat-intakten erwachsenen Kontexten ausgestellt.
Ich bin nicht allein in der Unsichtbarkeit. Dieses Wissen macht sie nicht erträglicher, lässt sie aber doch vom Schicksal zum Phänomen schrumpfen.

„Alleinerziehende verschwinden über Jahre, teilweise Jahrzehnte, aus Lebensanteilen, die jedem normalen Mensch selbstverständlich erscheinen“, schreibt Candy Bukowsky in ihrer Rezension zu Christine Finkes Buch ‚Allein, alleiner, alleinerziehend‘.

Den Großteil der Bedingungen kann ich akut nicht verändern, einiges Weniges vielleicht auf mittlere Sicht. Was ich aber kann und will, ist Sachen sehen. Es wird auf diesem Kanal also eine neue Serie geben:
Everything you see I owe to my eyes
Eine winzige Abwandlung des Sophia Loren-Zitates: „Everything you see I owe to spaghetti.“ Dort ging es um Kalorien und blendende Schönheit, hier geht es um Blicke: auf Frauen, Geschichten und Bilder, ums Hinschauen.
Gleich heute kommt Folge 1: „Jolie sous les bombes. Spaziergänge in Beirut“

 

 

 

 

Kein Waagnis

(c)lookis.infoDie alte Frage nach dem Schönheitsideal und Körpernormierungen flammt in den netzfeministischen Texten aktuell auf. Unter dem Hashtag #waagnis versteckt sich der revolutionäre Aufruf, die Waage aus dem Badezimmer in den Müll zu befördern und künftig auf die individuelle Gewichtskontrolle zu verzichten.
Es gibt kluge Interventionen dazu, besonders gefällt mir die gelassene Betrachtung von Antje Schrupp und die energische von Mango Riot zu der Aktion.
Ich bin in diesen theoretischen Debatten nicht zuhause, bewege mich da eher als Zuschauerin am Rande. Aber ich bin befremdet von dieser Aufregung, die nach meinem Dafürhalten das Pferd doch irgendwie vom falschen Ende her aufzäumt.
Dieser Akt, der in den frühen Siebzigern beheimatet sein könnte, soll auf einmal auf symbolischer Ebene zur Befreiung beitragen? Für einzelne Frauen mag das gewiss ein stärkender Schritt sein, aber als öffentliche, politische Geste und Beitrag zur feministischen Körpersoziologie ist sie einfach zu niedrig angesetzt. Da waren wir doch schon mal weiter.
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