News from a goofed life: Private Nachrichten aus einem vermasselten Leben
Freitag, später Nachmittag. Heute geht es auf diesem Blog sehr konkret und hässlich alltäglich zu, weil aus genau diesem Alltag ziemlich viel Leben und soziale Realität besteht – auch wenn diese an keiner Stelle den Vorstellungsraum der politischen Klasse berührt oder gesellschaftliche Relevanz erreicht.
Keine Jammer-Arie, sondern die schnöde Beschreibung einer Wirklichkeit, die ich mit vielen anderen Alleinerziehenden teile, die aber deshalb weder gesellschaftlich noch individuell akzeptabel ist.
In den 10 Werktagen dieser und letzter Woche waren tagsüber folgende familiären Termine zu absolvieren und Dinge zu erledigen:
Klassenfest Kind 1: 17-20 Uhr (Kuchen mitbringen)
Klassenfest Kind 2 (an einem anderen Tag): 16-19 Uhr (Frikadellen mitbringen)
Schulfest: 16-19 Uhr (Salat mitbringen)
Chorauftritt: 17-18.30 Uhr
(Transfer vom Hort zur Kirche für Kind 2 organisieren)
Orthopäde Kind 1: 8.30-9.40 Uhr
2x Musikkurs Kind 2: 15-16 Uhr
(hinbringen, abholen)
Einladung Kindergeburtstag Kind 1: 16-19 Uhr
(bringen, abholen, vorher Geschenk kaufen)
Einladung Kindergeburtstag Kind 2: 14-19 Uhr
(bringen, abholen, vorher Geschenk kaufen)
Lernentwicklungsgespräch Kind 1: 8.30-9.00 Uhr
Lernentwicklungsgespräch Kind 2: 9.00-9.30 Uhr.
(Aber an einem anderen Tag.)
1x Hort geschlossen wegen Betriebsausflug
Dazu kommen die Standards:
10x Kinder zur Schule bringen / 10x abholen
Bücher in die Stadtbücherei zurückbringen
Hausaufgaben initiieren und supervidieren
10x Frühstück, 10x Schulbrote und 7x Abendessen: zubereiten, Tisch decken/abdecken
9 Maschinen Wäsche aufhängen, abhängen, falten
Altpapier, Altglas wegschaffen
10 Spülmaschinen-Ladungen einräumen/ausräumen
Wohnung aufräumen, Betten machen
mal was putzen und staubsaugen
vorlesen, spielen, sprechen
1 x Kind wegen Läusebefall aus der Schule holen
(Stoffsachen waschen, desinfizieren, tieffrieren)
Turnbeutel, Schwimmtaschen und Fußballsachen packen
einkaufen (ca. 50 kg Lebensmittel und Getränke in den 3. Stock)
Ich werde die Stunden jetzt nicht addieren. Aber erst nach all dem, oft dazwischen und davor beginnt die reguläre Arbeitszeit. Der Vater der Kinder trägt einen Unterhalt bei, der deutlich unter der Mindestgrenze liegt, also komme ich für unser Einkommen auf.
Im Familienreport 2010 wächst jedes 5. Kind in Deutschland bei nur einem Elternteil auf, davon 90% bei ihren Müttern, das sind etwa 1,5 Millionen Frauen. Zweidrittel aller alleinerziehenden Frauen sind berufstätig, 42% davon in Vollzeit. Alleinerziehende haben in Deutschland das höchste Armutsrisiko, was mich tatsächlich nicht ernsthaft überrascht.
Legen Sie den Wochenplan doch einmal einem Arbeitgeber vor. Oder man halte sich (ganz kurz) vor Augen, welches Maß an kontinuierlicher Disziplin, Energie und Selbstmotivation für diesen Workload nötig sind.
Beinahe geweint vor Rührung habe ich, als ich heute Morgen den Artikel von Dorothee Bär in der FAZ las: Das Betreuungsgeld gibt den Eltern Freiheit. Von echter Liebe ist da die Rede, von Bindung und Vertrauen. Dass Arbeitgeber nicht zu schaffen haben mit der Frage der Betreuung. Dass unsere Gesellschaft mit dem Betreuungsgeld die Glückserfahrung des Kinder-Habens ermöglichen will.
Zum Glück ist morgen Wochenende. Ich muss dringend eine Maschine Wäsche machen.