Krisen-Filibuster

Private Nachrichten aus einem vermasselten Leben

(c) C.M.Schulz

Zum Geburtstag habe ich von Kind 1 das Buch »Mädchen in der Pubertät« geschenkt bekommen. Damit ich eine faire Chance habe.

Ich finde nicht, dass ich eine faire Chance habe.
Wenn ich an einem Meeting nicht teilnehmen kann, weil ich abends um sechs zuhause bin, Hausaufgaben betreue und Wäsche falte, wünscht sich irgend jemand mehr Engagement von mir. Denn wenn sich das fortsetzte, müsse man sich wohl jemand anderen für den Job suchen.

Wenn ich die Küche gestrichen habe, weist bestimmt irgend jemand wohlmeinend darauf hin, dass es sich durchaus bewährt hätte, die Decke zweimal zu streichen.

Wenn ich zum Klassenfest zwei Flaschen Orangensaft mitbringe, lächelt mich immer irgendeine Mutter verständnisinnig an, während sie ihre selbstgebackene Quiche aus Dinkelvollkornmehl auf den Tisch stellt.

Wenn ich im Garten die kniehohe Wiese mühsam mähe, gibt mir die Nachbarin den Tipp, dass es leichter und besser fürs Gras sei, öfter zu mähen, zudem sähe es gepflegter aus.

Wenn ich jaule, dass keine Socke meinen Blog liest, gibt mir bestimmt irgendjemand den kenntnisreichen Tipp, ich müsse einfach aktiver werden, an Netzdiskussionen teilnehmen und starke Themen besetzen.

Wenn ich wieder einmal eine Einladung absage, weil ich zwei Kinder zuhause habe (und nicht das Geld für Babysitter), rät mir sicher irgendjemand, ich müsse mehr loslassen, Freiräume für mich schaffen, mehr netzwerken, am Sozialleben teilnehmen.

Wenn ich einen Babysitter bestelle, um mal wieder ins Kino zu gehen, sagen die Kinder, wenn ich Geld fürs Kino und den Babysitter hätte, dann hätte ich doch auch die Kohle, um einen neuen Nintendo zu kaufen. Außerdem wäre es schöner, wenn ich zuhause bliebe.

Wenn ich eine Auftragsflaute habe, erklärt mir irgendjemand aufmunternd und konstruktiv, dass eine zielgerichtete, konsequente Akquise ganz viel brächte. Ein bisschen mehr Aktivität!

Wenn ich gerade einen Auftrag habe, die Kinder ständig wegorganisiere und nicht zum Elternabend gehe, steckt mir hundertprozent irgendjemand, dass es für Kinderseelen wichtig sei, konstante Zuwendung und Wertschätzung zu erfahren. Gerade ich als Alleinerziehende hätte da doch eine besondere Verantwortung.

Wenn ich Rückenschmerzen habe, kommt irgendjemand mit der tollen Idee, ich solle regelmäßig joggen gehen, nicht nur ab und an. Das brächte unheimlich viel.

Wenn ich beim Smalltalk wenig sage, weil ich im Kopf die Einkaufsliste mache oder einen Text überbeite, findet irgendjemand voll zugewandt, ich sei so wenig entspannt und gar nicht locker.

Wenn ich jetzt aufhöre zu schreiben, hat bestimmt irgendjemand einen guten Rat, wie ich aus der Krise rauskomme. Mehr Selbstbewusstsein zum Beispiel, positive Energie, Konzentration auf das Wesentliche.

Ich höre einfach nicht auf.

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