Löwe, Löwin und ein Moment des Glücks

News from a goofed life: Nachrichten aus einem vermasselten Leben

Gestern war ich mit meiner kleinen Tochter bei Hagenbeck. Aus meiner Warte ein zwiespältiges Unternehmen. Ich mag schon keine Hunde. Der Eintritt für uns beide kostet 35 Euro. Und wenn ich am Buchmessenmittwoch in der Zookassenschlange in Hamburg stehe anstatt in Frankfurt in der Messeschlange, weil ich keinen finde, der zwei Kinder für zwei Tage nimmt, dann muss mir niemand mehr sagen, dass  in meinem Leben etwas gründlich schiefgelaufen ist.
Sprühregen bei den Elefanten, Sprühregen bei den Tigern, Schauer bei den Alpakas. Ich erhöhe das Tempo. Das Kind sinniert vor den hospitalismuskranken Eisbären über das Gleichgewicht zwischen dem berechtigten Studieninteresse an Tieren und Tierquälerei. Wir plädieren für Einzelfallentscheidung: Pinguine okay, Eisbären zurück in die Arktis. Ich erwähne die Polkappenschmelze nicht.
Und glaube schon es geschafft zu haben, als wir vor dem Löwengehege ankommen. Die Wolkendecke reißt auf, eine milde Oktobersonne wärmt uns Rücken und Füße, wir lehnen am Zaun, essen Schokolade und schauen dem Löwenrudel beim Faulenzen zu. Da beginnt der Löwe zu kacken. Der Tier setzt langsam eine graue, faserige Liane ab, gut zwei Meter lang, unabschließbar. Stumme Ekelfaszination auf der Menschenseite. Unerhörter Gestank in der Luft. Löwinnen beschnüffeln die aus dem Löwen hängende Liane. Menschen erschauern, der Löwe erschauert. Brüllt einmal, zweimal. Die Sonne scheint und unter dem Schwanz und noch unter der Liane schiebt sich ein dritter Stab heraus.
Hörbares Einatmen der erwachsenen Zoobesucher. Der Löwe bringt sich über einer Löwin in Position, die Stinkliane um die Füße gewickelt, den staubigen Schwanz erhoben, den Stab nach vorne.
Mein Kind schluckt Schokolade. „Mama, will der Löwe Sex machen?“ „Ja, sieht so aus.“
Die Löwin wendet den Kopf, faucht, entzieht sich dem Begehr.
„Mama, die Löwin will nicht.“ „Nein, wohl nicht.“
Es ist still im Rund.
„Mama, gibt es auch Sexspielzeug für Männer?“
Geballte moralische Entrüstung flimmert wie Geisterscheiße in den Sonnenstrahlen. Kein Blick der Pinneberger Eltern mehr für den dreifach beruteten Löwen. Alle schauen mich an. Ich versuche zu denken, leeres Gehirn.
Ich blicke nach rechts und sehe in das Gesicht eines bemerkenswert attraktiven Mannes, der mein Kind anlächelt und ruhig sagt: „Klar, gibt es auch für Männer. Aber wenn beide Sex wollen, ist das viel besser und fühlt sich großartig an.“
„Was?“
„Beide bewegen sich.“ Er schiebt kurz seine Hüften vor und zurück. „Löwen und Menschen.“

Im Film höbe jetzt ein Saxophon an mit einer unendlich leichten Melodie.

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