Zur Erinnerung: Im Mai 1997 gab es Deutschland Farbkopierer, die Klimakonferenz beschloss das Kyoto-Protokoll, die Telekom war an der Börse, Cathérie David Chefin der Dokumenta und die EU-Konvention zur Biomedizin wurde verabschiedet.
Der Körper der deutschen Ehefrau jedoch hatte ihrem Mann uneingeschränkt zur Verfügung zu stehen. In Deutschland galten bis vor 15 Jahren Ehefrauen als „nicht vergewaltigbar“. Eheliche Vergewaltigung und eheliche sexuelle Nötigung waren nicht nach den Strafgesetzbuch-Paragraphen 177 und 178 strafbar, sondern Privatsache. Die sexuelle Selbstbestimmung der Frau galt dem Gesetzgeber weniger als die Unantastbarkeit der Familie.
Bundestag und der Bundesrat brauchten 25 Jahre, die Vergewaltigung innerhalb und außerhalb der Ehe strafrechtlich gleichzustellen.
Im Jahr 1972 brachten die Sozialdemokraten erstmals einen Reformvorschlag ein und scheiterten an den Eheschützern. Ende der achtziger Jahre versuchten es die Grünen-Frauen erneut und kapitulierten vor der Lebensschützerlobby, die befürchtete, daß Frauen ihre Ehemänner einer Vergewaltigung bezichtigen könnten, um mit Hilfe der kriminologischen Indikation ganz legal abtreiben zu können.
Im Sommer 1994 begann eine neue Initiative, getragen von verschiedenen Parlamentarierinnen und Frauenorganisationen. Eine dreijährige Vernetzungs- und Lobbyarbeit führte schließlich zum Erfolg.
Ein Gruppenantrag der Frauen von SPD, FDP und Bündnisgrünen entsprach genau dem Wortlaut des Regierungsentwurfs. Als sich dann auch noch Frauen aus der CDU für diesen Antrag aussprachen, gab die Koalition ihren Widerstand auf und hob den Fraktionszwang auf.
Am 15. Mai 1997 stimmten von den anwesenden 644 Abgeordneten 471 für den Gruppenantrag und 138 dagegen, 35 enthielten sich der Stimme.