Man weiß also wenig darüber, wie es den Kindern geht, die in gleichgeschlechtlichen Beziehungen aufwachsen und in der Schule gehänselt werden. Susanne Kusicke befasst sich heute in der FAZ mit dieser ungeklärten Frage. Der Artikel ist gründlich recherchiert, sie hat mit Psychotherapeuten gesprochen, deren Beratungsschwerpunkt auf Regenbogenfamilien liegt, und beleuchtet verschiedene Aspekte: anonyme Samenspender, Trennungen, sexuelle Entwicklung im jugendlichen Alter.
16.000 bis 19.000 Kinder lebten aktuell in Deutschland in dieser gesellschaftlich neuen Konstellation.
Und es schüttelt einen trotzdem beim Lesen. Nicht nur die soziale Realität der vielfältigen Familienmodelle lässt die Fragestellung altbacken aussehen.
Der Betrachtung liegt ein Begriff von Normativität und positiver Normalität zugrunde, der von ganz anderen Seiten, Kräften und ökonomischem Druck als ausgerechnet von gleichgeschlechtlichen Paaren mit Kinderwunsch zersplittert wurde.
Armut wird in der deutschen Familienpolitik als „Lebensrisiko“ gewertet. 1 von 20 Kindern in Deutschland bekommt nicht täglich ein warmes Essen. Laut der Unicef-Studie zur Kinderarmut wachsen in Deutschland 1,2 Millionen Kinder in relativer Armut auf. Und man weiß oder kann doch versuchen sich vorzustellen, wie Kinder sich fühlen, die jeden einzelnen Tag in jedem Jahr wegen der falschen Turnschuhe oder der alten Jacke gehänselt und ausgeschlossen werden, wie sie sich fühlen, wenn ihre Familie kein Reihenhaus besitzt, keine Urlaubsreisen unternimmt, keinen Musikunterricht bezahlen kann und Sportvereine außerhalb der Bedenkung liegen. Wenn sie die Klassenreise nicht mitmachen oder sich ihr Zimmer mit mehreren Geschwistern teilen. Wenn ihre Bildungskarrieren scheitern, bevor sie begonnen haben.
Ich weiß oder kann mir versuchen vorzustellen, wie Kinder auf dem Dorf sich fühlen, deren Eltern kein Deutsch sprechen und einer anderen Ethnie angehören als ausgerechnet der mehrheitlichen.
Ich weiß oder kann mir versuchen vorzustellen, wie Kinder sich fühlen, die in lieblosen, dysfunktionalen klassischen Kleinfamilien aufwachsen. Und ich wage die Vermutung, dass das auf mehr als 19.000 Kinder in Deutschland zutrifft. Diese Kinder finden selten Unterstützung außerhalb des geschlossenen familiären Umfeldes und ganz gewiss suchen Familien, in denen sexualisierte Gewalt ausgeübt wird, regelmäßig psychotherapeutische Hilfe auf.
Wie Kinder sich fühlen, die in liebevollen, sozial überdurchschnittlich gut situierten Regenbogenfamilien aufwachsen, ist eine großartige Luxusfragestellung, gegen die es unter bestimmten Vorzeichen nichts einzuwenden gäbe.
Aber der Artikel erscheint ja nicht zufällig angelegentlich des Urteils des Bundesgerichtshofes zur steuerlichen Gleichstellung homosexueller Paare.
Er ist ein falsches politisches Signal.